Stellungnahme der Fraktion zum Haushalt 2021

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren,

vor vier Wochen wurde die Haushaltsplanung für 2021 und der Finanzplan der nächsten 4 Jahre in den Gemeinderat eingebracht. Wir als Fraktion haben uns seither intensiv mit den Zahlen beschäftigt.

Dabei standen für uns folgende Fragen im Mittelpunkt:

Kann die Gemeinde das für 2021 negative ordentliche Ergebnis von 759tsd. € in den nächsten Jahren ausgleichen und damit die gesetzlichen Vorgaben aus der Gemeindehaushaltsverordnung erfüllen?

Sind in unserer Finanzplanung die Unsicherheiten der pandemiebedingten Einnahmerückgänge berücksichtigt?

Wie solide ist unsere finanzielle Basis, auf der wir unsere großen Projekte wie bspw. die Ortskernsanierung, Hohensteinhalle, Wohn- und Gewerbegebiete, Erneuerung der Schullandschaft, bestreiten werden?

Zusammengefasst: welchen Kurs schlägt unsere Gemeinde insgesamt ein, um unsere Zukunft nachhaltig gestalten zu können?

Nun, für die Beantwortung dieser Fragen ist kein Studium in Finanzwirtschaft notwendig. Führen wir uns dazu erstmal einige Ausführungen unseres Bürgermeisters und unseres Kämmerers vor Augen und lassen einige Aussagen aus der Haushaltseinbringung vom 26. Januar wirken:

Aus der Haushaltsrede des Bürgermeisters:

  • „…das gewohnte Angebot nach der Pandemie kann nicht mehr dem vor der Pandemie entsprechen…“
  • „…finanzielle Hilfspakete haben uns geholfen, das Jahr 2020 gut zu

meistern…“

  • „…der Kreishaushalt belastet uns auf Dauer…“
  • „…wann konnte man schon mal aus dem Vollen schöpfen…“
  • „…es geht nicht ohne Kreditaufnahmen…“
  • „…unser Haushalt lässt wenig Raum für Wünsche…“

Aus der Präsentation unseres Kämmerers:

  • „…2020 sind wir mit einem blauen Auge davongekommen…“
  • „…laut Steuerschätzung sollten wir das veranschlagte negative Ergebnis von 759tsd. € im Jahr 2023 wieder ausgleichen können…“
  • „…wir verringern den Finanzmittelbestand („Sparbuch“) um rund 2,2 Mio. €…“
  • „…die Kreisumlage wird uns bis zum Jahr 2024 um rund 164tsd. € jährlich mehr belasten…“
  • „…Pflichtaufgaben vor freiwilligen Aufgaben…“

Dies war zugegebener Weise eine sehr verkürzte Darstellung mit überwiegend belastenden Aussagen – die allerdings die Haushaltseinbringung dominiert haben.

Lassen Sie mich einige relevante Zahlen aus dem Haushaltsentwurf nennen, um einen besseren Gesamteindruck zu bekommen.

  • Die Grundsteuern A/B wurden erhöht und ergeben ein Plus von rund 91.000 €
  • Die Gewerbesteuer soll sich dagegen um rund 100tsd. € verringern.
  • Der Anteil der Gemeinde an der Einkommenssteuer soll sich um etwa 160tsd. € verringern.
  • Weitere Einbußen i.H.v. ca. 52tsd. € stehen bei den Einnahmen um die Vergnügungssteuer, den Leistungen nach dem Familienausgleich und dem Anteil an der Umsatzsteuer zu Buche.
  • Hinzu kommt ein Minus bei den Schlüsselzuweisungen vom Land i.H.v. rund 100tsd. €, steigende Personalkosten und pandemiebedingte Einnahmeausfälle bei der Kinderbetreuung.

Sehr geehrte Damen und Herren, im letzten Jahr hatten wir noch einen gewissen Handlungsspielraum bei Entscheidungen – für dieses Jahr scheint uns dieser Spielraum abhandengekommen zu sein.  

Wir müssen der Tatsache ins Auge blicken, dass unsere kurz- und mittelfristige Finanzplanung von Zuwendungen aus dem Kreis, dem Land und aus dem Bund abhängig sein wird.

Wir sollen die Kreditlast in den Jahren 2020 bis 2023 von 989tsd. € auf 4,166 Mio. € vervierfachen. Die Prokopf-Verschuldung steigt von heute 219 € auf über 900 € im Jahr 2023.

Unser Sparbuch soll von heute 4,6 Mio. € auf 744tsd. € im Jahr 2024 geleert werden. Die Liquidität würde knapp an die Grenze des Mindestbestandes nach der Gemeindehaushaltsverordnung herangeführt werden.

Wir sind außerdem abhängig von Erlösen aus Grundstücksverkäufen, die bereits heute fest in die Folgehaushalte eingepreist werden.

Sicherlich handelt es sich hierbei um eine Geldanlage in Form von Bauland.

Allerdings gibt es für die Bauvorhaben in der Schulstraße, Barbaragarten II oder auch für das Gewerbegebiet Schorteile V noch einige Unwägbarkeiten zu klären, insbesondere die volle Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümer herzustellen.

Gemessen an dieser Gesamtlage hätten wir uns eine Finanzplanung gewünscht, die einen kurz- und mittelfristig roten Faden aus der Krise heraus erkennen lässt. Und mit Krise ist nicht nur die globale Pandemie gemeint. Wir machen uns schon auch Sorgen, dass wir mit unseren Gemeindefinanzen nicht in eine Krise geraten.

Unsere Finanzplanung besteht aus der großen Hoffnung, bei den Vergabetöpfen aus Bund und Land berücksichtigt zu werden, dass die Zinsbelastung niedrig bleibt und ein Maximum bei den Erlösen aus Grundstücken erzielt werden kann.  

Steuererhöhungen und Beitragserhöhungen wurden notwendig und werden in Zukunft auf der Tagesordnung stehen müssen.

Es scheint so, als würden wir in den nächsten drei Jahren an und über unsere Reserven gehen. Ein hoher Ressourcenverbrauch, den nach den Grundsätzen des neue Kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens, die jeweilige Generation selbst erwirtschaften soll – Stichwort intergenerative Gerechtigkeit.

Ob wir diesen Grundsatz, den Sie selbst auf Seite 5 Ihres Haushaltsentwurfs beschrieben haben, erfüllen können, ist doch sehr fraglich.

Wie der Presse zu entnehmen war, haben sich die Umlandgemeinden mit einer Anfrage der Stadt Geislingen zur Schullandschaft und zu einer möglichen Beteiligung an Kosten beschäftigt. Es gab hierzu von Wiesensteig bis Kuchen eine große Bandbreite, die von klarer Ablehnung bis hin zu einer mitspracheabhängigen Beteiligung variierte.

Wir fragen uns schon, warum wir in Gingen noch nicht einmal in eine öffentliche Diskussion kommen. Schauen Sie auf die Tagesordnung – Fehlanzeige.

Aber selbst, wenn wir uns dem Thema annehmen würden – wir haben scheinbar keine Mittel und keinen Spielraum – und das ist eine ganz schlechte Ausgangsposition für anstehende Verhandlungen.

Gerne verweise ich auf unsere Haushaltsrede aus dem letzten Jahr und die zahlreichen Anregungen von aktiv gewordenen Eltern rund ums Migy-Thema: nämlich eine finanzielle Vorsorge für die Schullandschaft zu treffen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte abschließend zurück zur Frage kommen, in welcher Form wir diesen Haushalt mittragen können?

Für uns ist es wichtig, dass der Haushalt die Realitäten widerspiegelt. Entsprechend haben wir ausschließlich Anträge zur Entlastung des Haushalts erarbeitet.

Unsere Anträge nehmen Rücksicht auf die pandemiebedingten Ausfälle und versuchen das veranschlagte ordentliche Minus von 759tsd. € zu verringern.

Ein Herausrechnen der ersten zwei bis drei Monate, beispielsweise bei den Aufwendungen für die Volkshochschule bedeuten eine realistische Entlastung von bis zu 10tsd. €.

Selbstverständlich befürworten wir notwendige Investitionen, beantragen aber bspw. bei der Anschaffung eines Kombispielgerätes eine realistische Senkung des Ansatzes von rund 27tsd. €. Es gibt namhafte Hersteller mit vergleichbaren Spielgräten zwischen 10-15tsd. €.

Und ja, wir haben den Unterschied zwischen Finanz- und Ergebnishaushalt verstanden. Am Ende des Tages wird das Geld aber ausgegeben und Einsparungen in unserer jetzigen Situation machen daher Sinn – egal ob im Finanz- oder im Ergebnishaushalt.

Wir halten eine Unterstützung von bedürftigen Seniorinnen und Senioren zur Abmilderung von unzumutbaren Fahrtkosten im Rahmen der Impfung im Kreisimpfzentrum für sinnvoll und angebracht. Nicht jeder hat hierbei die Unterstützung von Verwandten und kann sich die Taxikosten von bis zu 150 € für zwei Impfungen leisten. Die Nutzung des ÖPNV scheidet derzeit definitiv aus.

Wir sollten alles dafür tun, die Impfbereitschaft zu erhöhen. Die Anzahl von Anträgen würde sich sehr in Grenzen halten. Der Zuschuss könnte sich an den regulären Kosten für den ÖPNV orientieren.

Nehmen wir uns ausnahmsweise ein Beispiel an der Stadt Stuttgart. Dort hat der Sozialausschuss des Gemeinderats definiert, wer bedürftig ist und dass diejenigen vier Gutscheine für Taxifahrten zum Impfen bekommen sollen.

Stuttgart hat mitunter die niedrigste Inzidenz landesweit, insbesondere bei den älteren Menschen.

Über die Definition von Antragsvoraussetzungen machen wir uns keine Sorgen. In Stuttgart hat man hierfür bspw. den Empfang von Grundsicherung und Wohngeld festgelegt.

Investieren Sie genau hier ein paar Euro in die Gesundheit unserer Seniorinnen und Senioren. Dies wäre viel sinnvoller, als für einen kaum zu realisierenden Seniorennachmittag 5.500 € vorzuhalten. Wir rechnen mit wenigen Einzelfällen, die hierfür einen Antrag stellen würden.

Sollte es in der zweiten Jahreshälfte doch möglich sein, eine Veranstaltung für unsere Seniorinnen und Senioren durchzuführen, wären immer noch genügend Mittel übrig. Dies sehen auch einzelne Vertreter des Gingener Seniorenrats so.

Wo wir uns nicht verstecken brauchen, ist das große ehrenamtliche Engagement unserer Bürgerinnen und Bürger. Zusammen mit unserem Rathausteam informieren, beraten und organisiert der Krankenpflegeverein mit Unterstützung einzelner Bürgerinnen und Bürgern, wie bspw. Renate Ströhle, die Bewältigung der Impfkampagne.

Ein herzliches Dankeschön ganz konkret an Sie aber auch an alle Bürgerinnen und Bürger, die sich während der Pandemie unter erschwerten Bedingungen für das Gesamtwohl unserer Gemeinde einsetzen.

Zu unserem Antrag „Streichung der umfangreichen Aufwendungen für eine Detailplanung des Ausbaus der Lessing-, Goethe-, Uhland- und Jahnstraße“ sei gesagt, dass wir unbedingt die zugesagte Besprechung mit den betroffenen Eigentümern einfordern und einer weiteren Aufwendung voranstellen müssen.

Wir stehen bei den Eigentümern im Wort, dass zunächst die im Dezember 2019 in Auftrag gegebene Grobplanung besprochen werden soll. Wir erwarten auch den Austausch über die Frage, ob es möglicherweise in der Historie Hinweise und Belege dafür gibt, dass bereits Erschließungsbeiträge entrichtet wurden.

Hinsichtlich der geplanten Investition für ein Vordach der Hohensteinschule beantragen wir die Prüfung kostengünstigerer Varianten. Wir könnten uns vorstellen, dass ein zweckmäßiges Vordach deutlich unter den veranschlagten 30tsd. € möglich sein kann. Schließlich überdachen wir nicht den gesamten Schulhof für die Kinder – vielmehr sollen Besucher bei Regen bis zum Einlass einen entsprechenden Regenschutz erhalten.

Unser Antrag zum roten Platz hat den Hintergrund, dass dessen Sanierung im Jahr 2022 nicht in die Zeit eine mögliche Sanierungsmaßnahme oder eines Neubaus der Hohensteinhalle fällt. Bitte planen Sie dies entsprechend der Zeitläufe ein, damit der Schule diese wichtige Ausweichfläche durchgehend zur Verfügung steht.

Ich möchte der Diskussion und Abstimmung über die Anträge der Fraktionen nicht vorgreifen, zum Ende unserer Stellungnahme aber die Gründung eines Fördervereins Hohensteinhalle erwähnen.

Die Kubatur der Halle, falls wir eine neue Halle bauen, bei den alternativen Sanierungsmodellen, aber auch bei der Ausstattung selbst werden wir finanziell stark eingeschränkt sein und es gibt auch noch andere Investitionen in unserer Gemeinde.

Es wird uns allen mehr und mehr bewusst, dass die „fetten Jahre“ endgültig vorbei sind. Wir befinden uns am Beginn der größten Krise unserer Gesellschaft – manche sagen es sei die größte Krise nach dem 2. Weltkrieg.

Die Auswirkungen dieser Pandemie werden den Mittelstand und uns einfache Familien stark belasten, ja sogar an der Existenz rütteln.

In dieser prekären Zeit packen wir die vermutlich größten Projekte dieses Jahrhunderts für Gingen an.

Zu Recht haben Sie, Herr Burger, die Pflichtaufgaben ganz nach vorne gestellt und Sie Herr Hick Ihren Haushalt unter das Motto „Vorfahrt für nachhaltige Investitionen gestellt“.

Wir geben Ihnen da absolut Recht. Möchten Sie aber darauf hinweisen, dass unser Investitionsmobil, unterwegs auf der Vorfahrtsstraße, auch in Zukunft getankt sein will bzw. irgendjemand kräftig in die Pedale treten muss.

Und um in diesem Bild zu bleiben – im Straßenverkehr gilt die Grundregel der gegenseitigen Rücksichtnahme. Die Vorfahrt darf nicht erzwungen werden.

In diesem Sinne hoffen wir auf einen konstruktiven Umgang bei den Antragsberatungen.

Die Fraktion Gingener Liste tut sich zunehmend schwerer mit dem Haushalt, könnte diesen aber und Vorbehalt der im Laufe des Jahres anstehenden Einzelentscheidungen zumindest billigen.

Ein Dankeschön gilt selbstverständlichen Ihnen und Ihrem Rathausteam, welches die Geschäfte unserer Gemeinde auch in schwierigsten Zeiten am Laufen hält.

Für Ihre Aufmerksamkeit bedanken sich die Mitglieder der Gemeinderatsfraktion Gingener Liste.

Jürgen Engel, Ingo Abraham und Matthias Hofmann

Die Haushaltsanträge und -rede zum Download: