Rede der Fraktion zum Haushalt 2020

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Jahr 2020 steht nicht nur symbolisch für den Anfang eines neuen Jahrzehnts, es stellt für Gingen den Beginn einer weitreichenden Ortskernsanierung dar.

Unser Ort bekommt ein neues Aussehen. Wir sprechen hierbei nicht über ein „zartes Lifting“, sondern eher über einen chirurgischen Eingriff in das Gesicht unserer Ortsmitte. Für Gingen ist es das Projekt in diesem Jahrzehnt – ja vielleicht sogar unser Jahrhundertereignis. 


Jedenfalls wird es über die nächsten fünf Jahre unsere ganze Aufmerksamkeit abverlangen und unsere Haushalte stark dominieren.

Die Ausgaben und Förderungen des Landes für die Ortskernsanierung nehmen im Zahlenwerk eine zentrale Position ein. Dieses Jahr wird der Gemeinderat entscheiden, wie die Aufgabenstellung für mögliche Planungsbüros lauten soll. Der Startschuss soll noch in diesem Jahr fallen.

Für Gingens Finanzen bedeutet das, dass wir all unsere Ausgaben um dieses Großprojekt herumbauen müssen.

Wir sollten das so anlegen, dass sich unangenehme äußere Einflüsse nicht auf die Ortserneuerung auswirken und uns in der Folge nicht bereits laufende Projekte noch stärker in die Kreditaufnahme zwingen.

Auf unsere Verwaltung und letztlich auch auf den Gemeinderat kommt hier die schwere Aufgabe zu, weitere Ausgaben besonnen und vorausschauend anzusetzen, so dass zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit besteht, aus finanzieller Sicht flexibel reagieren zu können.

Diese Notwendigkeit wird noch deutlicher, wenn man sich die Kennzahlen aus dem Bund und für Baden-Württemberg anschaut.

Deutschland befindet sich in jeglicher Hinsicht in einer Zeitenwende. Die Wirtschaft wird digitalisiert, der Fahrzeugbau grundlegend umgestellt, die Energiewende wird mehr oder weniger erfolgreich umgesetzt.

Letzte Woche wurden die Zahlen für das Bruttoinlandsprodukt bekannt gegeben. Deutschland stagniert im Jahr 2019.

 Ursprünglich nahm man für das letzte Quartal ein Plus an – die Wirklichkeit sieht anders aus. Ökonomen befürchten ein Minus für die nächsten zwei Quartale, was per Definition einer Rezession gleichkommen würde.

Der Bund nimmt für Deutschland eine Steigerung der Gewerbesteuereinnahmen für die nächsten drei Jahre an. Während es in Stuttgart eine erhöhte Nachfrage nach Gewerbeflächen gibt, hängt der Landkreis Göppingen hinterher. Das Angebot ist deutlich größer als die Nachfrage.

Für Gingen zeigt sich diese Entwicklung auch in den Zahlen der Gewerbesteuer-einnahmen. Diese betrugen 2018 noch über 1,8 Mio. €, 2019 bereits ein Minus von rund 100tsd. € und für 2020 werden nur noch 1,6 Mio. € angenommen.

Die abschließende Bilanzierung wird zeigen, ob und wieviel auf Grund der allgemein schlechten konjunkturellen Lage im letzten Quartal nach unten korrigiert werden muss.

Die Wirtschaft im Landkreis schwächelt. Allgaier, WMF oder auch Schuler, um nur einige der Leistungsmotoren im Kreis zu nennen. Viele Gingener Bürger sind als Arbeitnehmer direkt betroffen.

Auch bei der Kreisumlage hat der Kreistag den Kommunen nur eine kleine Entlastung zugesprochen. Die Belastung bleibt weiterhin auf hohem Niveau.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Hick, Ihre Haushaltsrede haben Sie mit dem Titel „Zukunft mutig gestalten“ überschrieben. Die Fraktion Gingener Liste hat nichts gegen nachhaltige Investitionen und wird die Ortskernsanierung mit Leidenschaft mitgestalten. Allerdings mahnen wir mittelfristig zu einer besonnenen Ausgabenpolitik, um dem negativen Trend in Bund und Land begegnen zu können.

„Zukunft mutig gestalten“ im heutigen Kontext ist für uns nicht angebracht.

Unser Haushalt darf nicht mutig sein, denn Mut bedeutet immer auch Risikobereitschaft. Risiko muss man sich leisten können. Unser Haushalt sieht das nicht vor. Wir haben aus finanzieller Sicht keinen Plan B.

Unsere Finanzplanung sieht Kreditaufnahmen von 1,5 Mio. € vor. Die Kreditlast wird auf 2,5 Mio. steigen und eine pro-Kopf-Verschuldung von rund 550 € bedeuten. Leider ist diese Finanzplanung auf Pump notwendig, da Gingen aus eigenen Einnahmen wichtige Erneuerungen nicht mehr bestreiten kann. Dies bedeutet und erfordert deshalb eine besonders behutsame Vorgehensweise und immense Verantwortung. Mit Mut sollte und darf das nichts zu tun haben.

Hinzu kommen nämlich weitere Unsicherheitsfaktoren für den Haushalt.
Beispielsweise hat uns im letzten Jahr die plötzliche Abwendung des Süßener Gemeinderats in Bezug auf unser gemeinsames Gewerbegebiet überrascht.

Gingen hat für den Aufbau von IKG Auen bislang nur Aufwände gehabt. Ob es hier überhaupt zu Gewerbesteuereinnahmen kommen wird, ist unklar.

Wir hoffen, dass auf der vorgesehenen Fläche zukünftig nicht nur Zirkuszelte zu finden sein werden.

Mit allergrößter Sorge sehen wir die drohende Schließung des Michelberg- Gymnasiums. Für die rund 80 Schülerinnen und Schüler aus Gingen ist das MiGy vom Profil und seiner Erreichbarkeit derzeit alternativlos.

Auch wenn es zarte Andeutungen, zumindest für eine kurzfristige Verlängerung gibt, wissen wir noch nichts Konkretes über die zukünftige Finanzierung unserer Schullandschaft.

Wird das Land eine Sonderlösung finanzieller Art anbieten können? Eine solche Lösung steht im Konflikt mit den laufenden Klageverfahren um Sanierungskosten, an denen auch Gingen beteiligt ist.

Wir sagen hier ganz klar, dass die Umlandgemeinden für das Sanierungsdesaster in Geislingen nicht haften können und dürfen.

Wir sagen aber auch, dass sich die Umlandgemeinden für die Zukunft gemeinsam um die Schullandschaft kümmern müssen. Ein Schulverband bedeutet aber nicht nur Mitspracherecht, sondern eben auch Kosten. Gingen hat hierfür derzeit noch keine Finanzmittel vorgesehen.

Über den schwierigen Komplex Schullandschaft muss hier im Gremium gesprochen werden. Zu gegebener Zeit auch über das Thema Schulverband.

Auch die Straßensanierung der Uhland/Lessing/Jahn- und Goethestraße wird gerade im Ort heiß diskutiert. Es gibt unterschiedliche Sichtweisen, ob es sich hierbei um eine erstmalige Erschließung handelt oder nicht.

Wir empfehlen dringend eine belastbare Prüfung durch die Kommunalaufsicht im Landratsamt bzw. die Gemeindeprüfanstalt, um sicher ausschließen zu können, dass die Gemeinde am Ende nun doch die Gesamtkosten von mehreren Millionen übernehmen müsste.

Sie sehen, dass Gingens Haushalt eine große Anzahl von Unwägbarkeiten aushalten können sollte. Als Investitionsschwerpunt sind rund 1,3 Mio. € für Grunderwerb und auf der anderen Seite rund 800tsd. € Einnahmen aus Grundstückserlösen vorgesehen.

Ob dies am Ende so umgesetzt werden kann, ist von verschiedenen Faktoren abhängig, letztlich davon ob und in welchem Umfang Bauland erschlossen wird.

Diese Abhängigkeiten von unterschiedlichen Positionen in unserem Haushalt machen es nahezu unmöglich, auf äußere Einwirkungen zu reagieren.

Die Einnahmenseite basiert auf Annahmen, man muss daher die Ausgabenseite so gestalten, dass im Falle des Ausbleibens von erwartenden Einnahmen nicht die Schuldenfalle droht.

Wir empfehlen daher dringend eine globale Steuerungsreserve einzurichten, die zumindest bis ins letzte Quartal vorgehalten werden sollte. Dies würde uns Sicherheit bei der Verwirklichung unserer Projekte geben.

In diesem Sinne ist es für unsere Fraktion auch selbstverständlich, dass wir unsere Anträge der finanziellen Lage anpassen können und werden. Hierzu sollte die Verwaltung aber eine Priorisierung ihrer Vorhaben vornehmen und mit dem Gemeinderat diskutieren.

Beispielsweise sind wir beim Thema Umwelt und Natur mit unserem Antrag auf Verwirklichung eines Grünmassesammelplatzes bereit, dieses Vorhaben auf mehrere Haushaltsjahre zu verteilen oder falls es beispielsweise Zahlungsverpflichtungen erfordern, dieses Ziel mittelfristig zurückzustellen.

Grundsätzlich sehen wir es für wichtig und legitim an, dass sich die Gemeinde Gingen mit ihrem relativ hohen Anteil an Grundstücks- und Gartenbesitzern eine lokale Anlage zur Grünmüllsammlung schaffen sollte (Antrag 1).

Ganz anders, als im Jahr 2018 vom damaligen Gemeinderat die Schließung der Kompostanlage beschlossen wurde, handelt es sich hierbei um eine kostengünstigere und kleinere Variante, die mit der vorhandenen Baugenehmigung auf dem alten Kompostplatz realisiert werden könnte. Die monatlichen Betriebskosten lägen mit rund 500 € absolut im Vertretbaren.

Beim Thema Kinderbetreuung geht Gingen vorbildliche Wege. Mit der Erweiterung der Betreuungsangebote durch Ganztagesbetreuung, Beitritt in den Tagesmütterverein und der anstehenden Einrichtung eines Waldkindergartens wird viel für Familien mit Kleinkindern getan.

Auch die Betreuungsangebote in der Grundschule oder bspw. im MiGy knüpfen hier an.

Für unsere Jugend im Alter von 12 bis 17 Jahren fehlt allerdings ein eigenes Angebot in Gingen. Die Schließung des Jugendhauses 2013 hatte seine Gründe. Wir sehen heute dringenden Bedarf, gemeinsam mit den Jugendlichen auszuloten, ob und in welcher Form es in Gingen gezielte Aktivitäten außerhalb der Vereine geben sollte.

Hierzu haben wir beantragt, dass man dies im Gemeinderat diskutieren und in die laufenden Workshops rund um die Hohensteinhalle mit auf die Agenda nehmen sollte (Antrag 2).

Gingen ist attraktiv für Familien. Die Nachfrage ist groß. Allerdings geht unsere Gemeinde zu Lasten von Grün- und Landwirtschaftsflächen immer mehr in die Breite. Ein nicht unwesentliches Potenzial schlummert aber im Ort selbst – sogenannte Baulücken.

Die Gemeindeverwaltung hat bislang selbst versucht diese Baulücken zu aktivieren. Mehr oder weniger erfolgreich.

Hierzu haben wir zwei Anträge (3a, 3b) formuliert. In einer Gemeinderatssitzung oder Klausurtagung sollte über das pro und contra eines

Zuschussprogrammes für die Aktivierung von Baulücken zur Schaffung von Wohnraum sowie das Hinzuziehen eines interkommunal tätigen Flächenmanagers, der übrigens vom Land finanziell gefördert würde, diskutiert werden.

Am Beispiel der Stadt Aalen wird deutlich, dass sich externer Fachverstand auszahlen kann. Dort wurde vor allem die Öffentlichkeitsarbeit intensiviert und das Förderprogramm „Flächen gewINNEN für Aalen“ aufgelegt. Das Programm sorgt dafür, dass Baulücken, Leerstände und abbruchreife Gebäude für die Stadtentwicklung, für neues Wohnen oder Grün erfolgreich entwickelt werden. Die Bebauung von 98 Baulücken seit 2017 sprechen für sich.

Gestatten Sie mir noch einen Blick in den heutigen Bericht der Geislinger Zeitung über unseren Haushalt. Unser Bürgermeister wurde zu den „geplanten Wohngebieten in der Schulstraße und Barbaragarten II“ zitiert.

Wir möchten hierzu klarstellen, dass eine Bebauung in diesem Gremium noch nicht beschlossen wurde.

Gleiches gilt auch für die Hohensteinhalle. Im heutigen Bericht wurde fälschlicher Weise bereits von einer neuen Halle gesprochen.

Neben der umfangreichen Neugestaltung von Verkehrsflächen im Zuge der Ortskernsanierung dürfen wir unseren Straßen- und Wegebestand nicht vernachlässigen. Dies ginge zu Lasten der Verkehrssicherheit.

In einem umfangreichen Themenantrag mit verschiedenen Unterpunkten (Anträge 4a bis 4f) gehen wir auf Gefahrenstellen in unserem Wege- und Straßennetz ein.

Wir maßen uns nicht an, die jeweilige Örtlichkeit abschließend beurteilen zu können. Deshalb beantragen wir zumindest durch Verkehrsschauen oder „vor-Ort-Terminen“ mit dem Gemeinderat eine Bewertung vorzunehmen.

Insbesondere die Fußwege unserer Kinder liegen uns dabei am Herzen. Der neue Waldkindergarten muss fußläufig so erreichbar sein, dass keine gefahrenträchtigen Querungen wie entlang der Grünenbergerstraße notwendig werden. Hierzu sind eine Wegeleitung und die Sicherung des Verbindungsweges Richtung Gewann „im Brand“ nötig.

Auch die Wege von und zu den anderen Kindergärten und der Grundschule bedürfen unserer Aufmerksamkeit. Bedauerlich findet die Gingener Liste, dass trotz unserer schriftlichen Bitte und Antrags der Schulweg in der Lindenstraße an der neuen Baustelle und einseitigen Sperrung des Gehweges anfangs nicht gesichert wurde, obwohl die Verwaltung dies schriftlich angekündigt hatte.

Noch nicht einmal ein Warnschild mit Hinweis auf den Schulweg und die Querung durch Schulkinder wurde aufgestellt.

Wir hätten uns hierzu mehr erwartet – ja vielleicht sogar eine temporäre Fußgängerampel.

Zur Situation gegenüber der Froschgasse auf Höhe des unteren Stegs über die Fils sei gesagt, dass wir es begrüßen, dass im Sinne unseres Antrags bereits im Dezember eine Verkehrsschau stattfand. Wir bitten zukünftig darum, dass Vertretern des Gemeinderats die Teilnahme an Verkehrsschauen ermöglicht wird. Leider hat der vorangegangene Bericht der Verwaltung zur Verkehrsschau im Dezember letzten Jahres keine konkrete Lösung für den Einmündungsbereich Filsstraße/Froschgasse aufgezeigt.

Zu unserem Antrag, den Gehweg der Uferstraße auszubessern und die Diskussion um Einrichtung einer notwendigen Einbahnstraße:

Eine vollständige Sanierung des Gehwegs im Vorfeld der Ortskernsanierung macht in der Tat keinen Sinn. Wir sehen aber dringenden Handlungsbedarf, die schlimmsten „Schlaglöcher“ bis ungefähr auf Höhe der Hausnummer 4 auszubessern.

Es kann nicht sein, dass Fußgänger mit Gehhilfen, auf die eh schon sehr schmale Straße ausweichen müssen, und es bei Begegnungsverkehr zu gefährlichen Situationen kommt. Die Einrichtung einer Einbahnstraße kann heute selbstverständlich nicht beschlossen werden, daher der Antrag dieses auf die Tagesordnung künftiger Sitzungen zu nehmen. Es haben sich auf Grund der Ortsumfahrung ganz neue Entwicklungen und damit auch neue Möglichkeiten der innerörtlichen Verkehrslenkung ergeben.

Unser Antrag (Antrag 5) zum Thema Energietag – Medium Wasser soll sich nicht nur, wie von der Verwaltung angenommen, mit dem Störfall aus 2019 befassen. Für Gingen als Eigenversorger sollte es ein dringendes Anliegen sein, dass unsere Bürgerinnen und Bürger sich über einen ressourcenschonenden Umgang mit Wasser informieren können. Nebenbei könnte ein solcher Thementag für eine Besichtigung unserer Quellen rund um Gingen genutzt werden und gleichzeitig unseren regionalen Gewerbetreibenden eine gute Plattform bieten.

Abschließend möchte ich mich im Namen meiner Fraktion für die Aufbereitung des Haushalts und die Darstellung der Zahlen in der letzten Sitzung bei dem Team der Verwaltung bedanken.

Wir werden dem Haushaltsjahr 2020 zustimmen – gerade, weil es an verschiedenen Meilensteinen dieses Jahr die Möglichkeit für finanzielle Weichenstellungen geben wird.

Allerdings sehen wir für die mittelfristige Finanzplanung einen schwindenden Spielraum und die dringend gebotene Schaffung einer globalen Finanzreserve.

Unsere Fraktion wird daher äußerst kritisch auf bestimmte Investitionen blicken.

Beispielsweise gehört die vorgelagerte Schaffung von einigen wenigen Parkplätzen in der Hindenburgstraße in Größenordnung von 130tsd. € dazu –
und das noch vor der eigentlichen Ortskernsanierung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Jürgen Engel

Fraktionsvorsitzender
Gingener Liste e.V.