Die Gemeinderatsfraktion Gingener Liste hat sich intensiv mit der in der Beschlussvorlage vorgesehenen Gewerbesteuererhöhung beschäftigt und das Für und Wider betrachtet. Für unsere Entscheidungsfindung haben wir bereits im Vorfeld mit der Interessensvertretung des Handels und Gewerbes, dem hiesigen Gewerbeverein, gesprochen und um dessen Einschätzung gebeten. Im Ergebnis lehnen wir die Gewerbesteuer-erhöhung zum jetzigen Zeitpunkt und im vorgesehenen Umfang ab.
Bei der Abwägung sehen wir zwar auch die finanziellen Zwänge unserer Gemeinde und die besorgniserregende Entwicklung unseres Haushalts. Der Kalkulation unserer Verwaltung zufolge werden wir im Jahr 2022 voraussichtlich mit einem Minus von 700tsd € im Ergebnishaushalt abschließen. Wir erfüllen dieses wichtige Kriterium zum dritten Mal in Folge nicht, so dass man schon von einem strukturellen Defizit sprechen muss.
In dieser finanziellen Zwangslage hat die Gemeinde wenig Spielraum, um ihre Projekte wie die Ortskernsanierung, Erschließung von Bauland, Sanierung oder Neubau der Hohensteinhalle, u.v.m., aus eigener Kraft finanzieren zu können. Wir sind auf die Zuwendungen von Bund, Land und Kreis angewiesen.
Um an die nötigen Fördergelder zu gelangen, sind wir gezwungen, die Einnahmenseite der Gemeinde durch Steuererhöhungen zu verbessern. Dies wurde bspw. jüngst durch die Erhöhung der Grundsteuer, der Anpassung der Gebühren für die Kinderbetreuung und zuletzt durch die Anpassung der Friedhofsgebühren vollzogen.
Uns ist es an dieser Stelle wichtig, dass man neben den Aufgaben der Gemeinde und dem finanziellen Beitrag des Gewerbes auch die schwierige und besondere Situation unserer Gewerbetreibenden sieht.
Der Zustand ist denkbar schlecht. Nach einem guten Jahr 2019 mit rund 1,9 Mio. € Gewerbesteuer für die Gemeinde ist das Gewerbe komplett eingebrochen. Die Pandemie hat unsere Unternehmen in vielen Branchen an die Belastungsgrenze geführt. Das kann man auch an den Gewerbesteuereinnahmen der Gemeinde aus dem letzten und dem aktuellen Jahr ablesen, die Schätzungen zufolge nur noch bei 1,5 Mio. € liegen werden. Dies ist ein Einbruch von rund 20 Prozent.
In dieser Phase haben wir die Grundsteuersätze angepasst, die bereits zu einer Mehrbelastung des Gewerbes führte.
Die Auswirkungen der Pandemie sind in vielen Betrieben noch nicht gemeistert. Viele kämpfen weiter um ihre Existenz. Von daher stellt sich uns die Frage, ob und in welchem Umfang das Gewerbe jetzt zusätzlich belastet werden kann und soll.
Hinzu kommen drastische Erschwernisse durch die Verteuerung und Verknappung von Roh- und Grundstoffen. Auch die Lieferkosten für die Unternehmen haben sich um ein Vielfaches erhöht. Im Einzelfall kommen noch Kosten für Personal dazu, das aufgrund von Freistellungen nicht zur Verfügung steht.
Letztlich erachten wir eine Erhöhung von 355 Punkten auf 380 Punkte und damit um 7% für ein falsches Signal an unsere Unternehmen. Diese würde über dem Kreisschnitt von derzeit 368 Punkten liegen.
Bislang befinden wir uns mit unserer Gewerbesteuer zwischen den Nachbarkommunen Kuchen (340) und Süßen (370), würden damit allerdings beide überholen. Dies hätte sicherlich auch Auswirkungen auf die Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit unseres Standorts.
Eine derartige Mehrbelastung halten wir derzeit nicht für richtig. Es besteht die Gefahr, dass Unternehmen dies nicht mehr stemmen können und eine weitere Mindereinnahme in der Gewerbesteuer die Folge wären.
Wir sollten alle zusammen einen Weg finden, um die aus dieser geplanten Erhöhung zu erwartende Mehreinnahme i.H.v. 100tsd. € für 2022 anderweitig einzusparen. Mit einem so umfangreichen Haushalt und einem Volumen von rund 15 Mio. € gibt es sicherlich genug Möglichkeiten. Die Fraktionen hätten dies bei den anstehenden Haushaltsberatungen im Januar mit in der Hand gehabt.




