Ein positives Jahresergebnis aus dem Jahr 2019 darf uns nicht über die kritische Finanzsituation unserer Gemeinde in Gingen hinwegtäuschen. Das Jahr 2019 war solide – danach folgen drei Coronajahre mit einem dicken Minus im ordentlichen Ergebnis. Für 2022 ist ein Minus von 513tsd. € kalkuliert.
Die Gemeinderatsfraktion Gingener Liste (GL) sieht es daher ganz anders als Gingens Bürgermeister, der in der GZ von einer Erleichterung bei den anstehenden Investitionsvorhaben spricht. Die GL hat erhebliche Zweifel an der Finanzierbarkeit seiner Großprojekte. „Wir lehnen den Haushalt 2022 und die mittelfristige Finanzplanung ab. Die gigantische Investitionssumme bis 2025 im Umfang von rund 21,7 Mio. € wackelt gewaltig und unterliegt unserer Einschätzung nach viel zu vielen Unsicherheiten.
Die größten Brocken dieses Investitionspakets sind der Neubau der Hohensteinhalle, die Ortskernsanierung und der Ausbau der Kindergartenbetreuung. Die Mittel zur Deckung kommen mit 3,9 Mio. € von der Bank und mit 7,0 Mio. € aus Grundstücksverkäufen, für die es im Barbaragarten II noch gar keinen Bebauungsplan gibt und im Baugebiet Schulstraße noch an der Erschließung getüftelt wird. Ob und in welcher Höhe mit Erlösen aus dem Verkauf von Grundstücken gerechnet werden kann, ist damit unsicher und sollte in einer soliden Finanzplanung den Gemeinderat nicht abhängig machen. Die GL möchte bei Baugebieten auch andere Erwägungen, wie Umwelt, Ressourcenverbrauch und Verträglichkeit anstellen können und möchte nicht vom Druck der Finanzen zu einem ja gezwungen werden. Es kommt sonst beim Bauen nicht mehr auf Nachhaltigkeit und Qualität, sondern nur noch auf Quantität und Gewinnmaximierung an.
Die GL hadert auch mit dem eingeschlagenen Weg in einen Kredit- und Schuldenhaushalt. 3,9 Mio. € lassen sich heute gut aufnehmen, die Zinslast muss aber auch noch in 20-50 Jahren leistbar sein. Das Verbraucherportal FMH vermutete bereits für dieses Jahr einen Anstieg der Bauzinsen von 1,0% auf 1,75% (GZ vom 17.01.2022). Auch wenn die Konditionen für Kommunen günstiger sind, würde ein Anstieg des Zinsniveaus für unsere Gemeinde bei dieser Kreditsumme erhebliche Auswirkungen und Belastungen für den Ergebnishaushalt bedeuten.
Als weitere große Unsicherheit hat sich die Kalkulation der Gesamtkosten für einen möglichen Hallenneubau erwiesen. Während unsere Verwaltung im Haushalt 2021 noch 6,5 Mio. € vorsah, sind es im aktuellen Haushalt bereits 8,2 Mio. €. Als Grund wurden die massiv gestiegenen Bau- und Rohstoffkosten genannt. Die GL hat dies bereits in der Bürgerinformation im Juni 2021 vorausgesagt und wurde damals belächelt. Wir sehen die Halle zwischenzeitlich bei mind. 10,0 Mio. €, wenn man die Halle nicht aus Pappe bauen möchte.
Bedenklich und realitätsfern schätzen wir die Finanzierung der Halle ein. So geht unser Bürgermeister von einer Fördersumme aus dem Ausgleichsstock des Landes und der Sportförderung von gesamt 1,5 Mio. € aus. Im gesamten Jahr 2021 gab es für Sport- und Kulturhallten keinen einzigen Cent aus dem Ausgleichsstock. Die maximale Fördersumme für eine einzelne Kommune lag bei 1,1 Mio. €. Aus der Sportförderung kann auch nur mit wenigen zehntausend Euro gerechnet werden. Der Antrag wurde jetzt erst gestellt. Wenn das schief geht, hängen wir mit der Halle bis zum nächsten Jahr in der Luft und müssten neu beantragen.
Bleibt die Frage nach den verbleibenden Werkzeugen des Gingener Finanz-Werkzeugkastens. Die liquiden Mittel werden nahezu auf null heruntergefahren und fließen komplett in die Investitionen. Die Gemeindesteuern und Gebühren wurden allesamt trotz und gegen die Bitten des Gewerbevereins erhöht. Die Gewerbebetriebe ächzen zum Teil gewaltig und haben die Pandemie keineswegs hinter sich gelassen. Mit einer Entlastung aus dem Kreis, beispielsweise durch Absenkung der Kreisumlage ist laut Kreiskämmerer mittelfristig nicht zu rechnen. Auch im Kreis kämpft man mit einem negativen ordentlichen Ergebnis und droht von der Schuldenlast des Klinikneubaus erdrückt zu werden.
Die GL hat als einzige Fraktion den Haushalt 2022 und die mittelfristige Finanzplanung abgelehnt. Sie ist nicht nachhaltig und schafft eine zu große Abhängigkeit zwischen den einzelnen Projekten. Geht ein Projekt schief – gefährdet das u.U. die Finanzierung der Ortskernsanierung.




